Buttjepad - Geschichten aus dem Dollart

Produzent/Autor/Kamera: Edmund Ballhaus
Entstehungsjahr: 2006
Länge: 45 Min.
Videoformat: Betacam SP
Veröffentlichung: GfkF 2007, NDR 2007
Filmförderung: nordmedia

Die pittoresken Kreyerfischer des Dollart sind bereits häufig ins Bild gesetzt worden - genug, könnte man meinen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass alle Dokumentationen dort aufhören, wo es spannend wird: Beim Milieu dieser Kleinstfischer, das in einer Zeit immer größerer und effektiverer Großfischerei auf den Weltmeeren aufscheint wie ein Blick in eine längst vergangene Lebenswelt: "Buttje, Buttje inne See...." heißt es in einer Erzählung über eine unersättliche Fischersfrau.... Den Buttjepad gibt es noch immer, er ist aber seit langem ein Geisterpfad: Ruhezone I heißt es am abgeschlossenen Tor zum Deich. Die Menschen, ob Einheimische oder Touristen, die den Dollart besuchen wollen, dürfen dies an zwei, drei hoch eingezäunten Treppen tun, die sie auf einen Aussichtsplatz auf der Deichkrone führen - dort ist Schluss. Von zahlreichen Nationalparkaufsehern und Naturschützern wird genau registriert, wer sich verbotenerweise im Deichvorland und auf dem alten Buttjepad bewegt ...

Noch vor wenigen Jahrzehnten sah es am Deich völlig anders aus: Direkt unter seiner Krone duckten sich die Häuser der Landarbeiter und der Dollartfischer. Jedes Haus hatte eine eigene Treppe, die vom Haus auf den Deich führte - schließlich war dies der einzig gangbare Weg in den nächsten Ort. Dort kamen die Kaufleute, die Torfanlieferer, dort wurde das Heu herunter zum Haus getragen, was man im Deichvorland geschnitten hatte, dort gingen die Deichanwohner auch ihren letzten Weg: Über den Damm fuhren sie in Pferdefuhrwerken zum nächstgelegenen Friedhof.

Diese Lebenswelt war bereits eine aussterbende Spezies, als der Deich den Anwohnern noch Heimat war. Restlos und beinahe, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwand sie jedoch erst mit dem immer perfekteren Ausbau des Deiches und der erzwungenen Distanzierung der Anwohner von "ihrem Deich": Beim Ausbau traf es vor allem die Fischerhäuser, sie mussten weichen. Ihr Abriss ist aber am Ende nur ein Symbol für die erzwungene Entfremdung der Menschen vom Deich. Selbst, wo die alten Häuser noch stehen, wird den Bewohnern kein Zugang mehr zum Deich gewährt.

Keine Treppe führt mehr von ihren Häusern hoch zur Deichkrone, keine Kinder laufen mehr von zu Haus los, um die "Flut abzuholen", das Deichvorland ist den Menschen fremd geworden, die besondere Beziehung zum Dollart lebt vor allem noch in den Erinnerungen.... Wenn wir den letzten Kreyerfahrern in ihre spektakulären Reviere folgen, wenn wir mit ihnen und ihren Frauen an den Siedekesseln stehen, wenn sie ihre alten Fotoalben herauskramen und sich selbst noch einmal beim Buttverkauf erleben, wenn wir ihre noch immer vielfältigen Beziehungen zum Granat und zum Butt beobachten, wenn wir sie dorthin begleiten, wo ihnen ihre Lebensumwelt mittlerweile fremd geworden ist, dann ersteht nach und nach eine längst vergangene Alltagswelt, in der totgeglaubte Objekte wieder zum Leben erstehen und die Geschichten sich zu bewegen beginnen. Dann allerdings wird ein Kontrast zwischen zwei unterschiedlichen Biotopideen sichtbar, wie er gravierender nicht ausfallen könnte

Film- und DVD-Projekt "Ostfriesland"